Protagonistencafé Teil 4
Das Protagonisten-Café in Héron
Ein Seufzen entrang sich mir. Lediglich ein einziges Mal war ich durch das Viertel der Waldelfen gegangen. Der Grund war ein Schulausflug gewesen. Für die Mondsklaven war der Besuch des teuersten und exklusivsten Stadtteils zwar nicht verboten, allerdings sah uns niemand von den Adeligen hier gerne. Wir gehörten einfach nicht dazu.
Wir passten nicht in das perfekte Bild, welches durch die breiten Gassen und die schmalen, waldgrünen Gebäude mit den filigranen Geländern bestimmt wurde. Passten nicht zu ausladenden Laubbäumen und den zahlreichen Blumenläden. Nicht in die gepflegten Grünanlagen mit den Brunnen und Spielplätzen, auf denen sich lachende Kinder tummelten.
Dennoch war ich die Leibwache des Prinzen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als ihm auf Schritt und Tritt zu folgen. Vorbei an schmucken Geschäften, während sich die Frühlingssonne durch die einzelnen Blätter über uns stahl und mein Gesicht wärmte.
Ich war beinahe geneigt, stehenzubleiben, doch erinnerte ich mich daran, nicht zu trödeln und meinen Aufgaben nachzukommen. Eine Aufgabe, die mich heute nicht allzu viel Mühe kostete, da ohnehin jeder einen riesigen Bogen um mich machte und damit um uns.
Wer konnte es ihnen schon verdenken?
Wer würde nicht vor einem gefallenen Drachen fliehen?
Unmittelbar blieb vor dem Schaufenster eines Cafés stehen. Große, dunkle Augen starrten mich an. Augen eines siebzehnjährigen Mädchens, das viel zu früh in eine Zofenuniform gesteckt wurde.
Um das kostbarste Gut des héronischen Königs zu beschützen: Seinen zweitgeborenen Sohn Prinz Joseph.
Den einzigen Genträger der schwarzen Magie.
Meine Augen schweiften ab.
Und ich erstarrte.
Keinen Fußbreit von mir entfernt stand der Prinz. Seine blausilbernen Iriden schimmerten wie ein kristallener Bergsee, während sie mich beobachteten. Unter einer großen und schlanken Silhouette trafen steinerne Muskeln auf scharfe Wangenknochen, eine vornehme Blässe und ein kantiges Kinn. Das blütenweiße Hemd bildete einen perfekten Kontrast zu seiner schwarzen Brokatweste und die leibgeschneiderte blauschwarze Hose endete bei glänzenden dunklen Schuhen.
Das Blau in seiner Iris schlug Flammen, so intensiv wie er mich anstarrte. „Ich würde gerne speisen.“
Ich blinzelte und brauchte einen Moment, um mich zu fangen.
Und verurteilte mich dafür, wie ich mich wieder so aus dem Konzept bringen lassen konnte! Von ihm!
Also nickte ich schnell und folgte ihm in das stilvolle Café. Kunstvoll drapierte Süßspeisen thronten in den Auslagen, während dunkles, glänzendes Holz und dicke Polster in den verschiedensten Grüntönen den Raum dominierten. Die ebenfalls grüne Tapete zeigte ein interessantes Muster aus Blütenformen.
Trotz des geschäftigen Treibens führte man uns sofort zu einem freien Platz und nahm umgehend unsere Bestellungen auf. Die Waldelfe mit den hochgesteckten, goldenen Locken, den Kleeblattgrünen Augen und den spitzen Ohren verbeugte sich tief vor dem Prinzen und verschwand sogleich hinter der Theke.
Nur wenig später brachten uns zwei Kellnerinnen unsere bestellten Speisen und Getränke. Während Prinz Joseph eine Mousse-au-Chocolat mit garnierten Splittern aus Bitterschokolade und schwarzem Tee gewählt hatte, so hatte ich mich für ein Erdbeer-Parfait und einen Kirschblütentee entschieden.
Schweigend begannen wir zu essen, nachdem eine der Kellnerinnen die Speise des Prinzen vorgekostet hatte. Allein der Duft der beiden Süßspeisen ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und ich musste mich wirklich zusammenreißen, nicht meine guten Manieren über Bord zu werfen und sowohl das Parfait als auch die Mousse einfach in mich hineinzuschaufeln.
Also atmete ich tief durch und pausierte für einen Moment, ließ meinen Blick schweifen. Wir hatten unweit der großen Fenster Platz genommen, die eine fabelhafte Aussicht auf den wunderbaren Garten des Cafés boten. Überall erblühten farbenfrohe Blumen und wandelten das Grün in ein regelrechtes Kunstwerk. Ich staunte über die Schönheit und war für einen kurzen Moment abgelenkt.
Doch kaum einen Augenblick später bemerkte ich es.
Das Flüstern der anderen.
Ihr Starren.
„Woran denkst du, Zofe Cerrejonensis?“, hörte ich ihn fragen.
Sofort richteten sich meine Augen auf den Prinzen. Unbehagen machte sich in meiner Magengegend breit. Alles an ihm war zu viel, zu… intensiv. Seine Präsenz, sein Duft nach Tannennadeln und Holz, sein Starren… selbst, wie er aß. Ich hatte ernsthaft Mühe, mich zu konzentrieren und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
Hastig schüttelte ich den Kopf. „Nicht von Bedeutung.“
Er lehnte sich vor. „Das ist eine Lüge. Ich sehe es dir an.“
Ich schluckte. Wandte dann den Blick ab und fragte leise: „Warum ladet Ihr mich dazu ein, mit Euch zu speisen, Eure königliche Hoheit?“
Ich gehörte nicht hierher.
„Vielleicht gefällt es mir ja, mit dir zu speisen.“
Ich erstarrte. Mein Kopf schnellte hoch. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
Seine Augen suchten meine. Mit einem Mal schienen die silbernen Sprenkel darin zu fließen. „Ich war in meinen früheren Kindheitstagen oft zu Gast in diesem Café“, eröffnete er mir mit einem Mal eine Information, auf die ich nicht vorbereitet war.
Ganz und gar nicht.
„Meine Mutter speiste mit meinem Bruder und mir beinahe jeden Nachmittag hier in diesem Etablissement.“
„Ich war hier oft zu Gast mit meiner Mutter. Als ich noch ein Kind war, speisten wir jeden Mittwochnachmittag hier an jenem Ort.“ Er machte eine Pause, bevor er ergänzte: „Ohne den König.“
Plötzlich konnte ich ein Lächeln erhaschen.
Es war derart selten, dass ich kaum wagte, zu blinzeln.
„Meine Mutter schaffte es nie, auch nur eine einzige süße Speise abzulehnen.“ Lachend schüttelte er den Kopf. „Manches Mal wirkte sie bei diesen Ausflügen wie ein Kind. Kein Ereignis und keine unflätige Person konnte ihr an solch einem Tag die Laune verderben. Schließlich zählten in diesem Moment nur… wir.“
Dann sah er mich wieder an.
„Diese Eigenschaft solltest du dir zu eigen machen.“
Und ich konnte nichts dagegen unternehmen, dass sich ein Lächeln auf meine Lippen stahl.
Geschrieben von Jacqueline F. Eckert
Titel: Der Fluch der Mondsklaven – Verrat (Band 1)
Autorin: Jacqueline F. Eckert
Verlag und Bildrechte: Lysandra Books
Seitenzahl: 322
Preis TB: 14,90 € (D)
Preis eBook: 4,99 € (D)
ISBN: 978-3946376439
Titel: Der Fluch der Mondsklaven – Verbannung (Teil 2)
Autorin: Jacqueline F. Eckert
Verlag und Bildrechte: Lysandra Books Verlag
Seitenzahl: 384
Preis TB: 14,90 € (D)
Preis eBook: 4,99 € (D)
ISBN: 978-3946376521
Mehr Informationen zur Autorin und ihren Bücher bekommt ihr hier:
https://mondsklaven.weebly.com/
https://www.instagram.com/jacqueline_f_eckert/?hl=de
https://www.pinterest.de/jacquelinefeckert/
Weitere Besuche des Protagonistencafés gibt es hier:
https://suechtignachbuechern.de/2020/03/protagonistencafe-teil-3/
https://suechtignachbuechern.de/2020/02/protagonistencafe-teil-2/
https://suechtignachbuechern.de/2020/01/protagonistencafe-teil-1/
Banner: © Kristina Licht
Coverrechte: Lysandra Books Verlag
Text: Jacqueline F. Eckert