Protagonistencafé – Teil 7
Tage wie dieser in Monis Café
Es war frühe 14.25 Uhr: Ein Duftduett aus kräftigem Kaffee und feinstem Kuchen strömte durch ein geöffnetes Fenster aus Monis Café heraus. Kuchenaroma – zart wie eine feingliedrige Porzellanfigur. Eine Gruppe eiliger Elfen formierte sich vor dem Eingang.
Es wurde 14.29 Uhr: Die Elfchen flatterten seit ihrer Ankunft vor der Eingangstür hin und her. Moni trat mit einem Schmunzeln und einem Schlüssel aus der Küche. Sie visierte den Eingang an. Kaum hatte sie die Tür einen Spaltbreit geöffnet, klingelte in der Elfengruppe ein Handy. Sie wurden zu einem Notfall auf der Linie 12 gerufen. Die Gleise waren mal wieder zugefroren.
Bei ihrem Rückzug verfehlten die Flatterhaften nur um Elfenhaaresbreite eine Wölfin, die in stoischer Ruhe seit lange vor 14.25 Uhr auf die Öffnung des Cafés wartete. Wilma, die zur Familie der Wartenden Wölfe gehörte, hatte hinter den Elfchen ausgeharrt und wurde von deren unplanmäßigem Abflug überrumpelt.
Endlich 14:30 Uhr: »Ich nehme heute Kaffee? Oder Tee? Ach was, Fräulein Monika, bringen sie mir doch bitte die Karte.«
Die Wölfin Wilma hatte sich auf einem Caféhausstuhl niedergelassen, um in der Kuchen- und Getränkekarte zu blättern, die Moni ihr mit einem Seufzer überreicht hatte.
»Wofür sie sich wohl entscheiden wird?« Moni konnte sich nicht lange mit dieser Frage aufhalten, denn ihre Aufmerksamkeit wurde an der Eingangstür gebraucht. Ein Adler, mit Krallen in viel zu großen Stiefeln, stolperte herein.
»Guten Tag der Herr …«, Moni zögerte. Sie hatte von dem Gestiefelten Adler gehört, die Geschichte jedoch für ein Gerücht gehalten. »Ein Adler mit Stiefeln?« Moni schüttelte den Kopf bei diesem Gedanken, während der Gestiefelte erneut stolperte, sich aber gerade noch an einem der rotsamtenen Stühle festhalten konnte.
»Herr Adler, darf ich Ihnen diesen Tisch anbieten?« Moni wies auf einen leeren Platz direkt vor dem hohen Schaufenster. »Hier haben Sie eine wunderbare Aussicht auf …«
»Danke, ich brauche keine Aussicht,« konterte der Angesprochene, bevor Moni ihren Satz beenden konnte. Er zog die heruntergerutschten Stiefelschächte missmutig hoch. »Die Kuchenkarte, bringen Sie mir die Kuchenkarte.«
Anschließend vergrub er sich in der geforderten Karte und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Was soll das denn sein? Eierlikörtorte, russischer Zupfkuchen? Haben Sie hier denn nichts Vernünftiges? Fallbeerenkuchen oder Wirsing-Maracuja-Torte?«
»Tut mir leid, Herr Adler, nur was auf der Karte steht. Und den Kaffee nur in Kännchen, drinnen und draußen nur Kännchen, und draußen auch Eistorte.«
Moni schaute den Adler herausfordernd an.
»Was sind das für Preise? Euro? Was soll das sein?«
»Was meinen Sie damit?«
»Warum haben Sie das nicht mit Punkten ausgezeichnet, wie sich das gehört? Und was macht das in Punkten? In Springenden Punkten?«
Moni schüttelte den Kopf, während sie überlegte, was sie diesem seltsamen Gast mit seinen Punkten erwidern sollte. Währendessen kramte der Adler mit dem Schnabel in seinen Stiefelschächten und holte ein paar bunte Punkte heraus, die allerdings direkt auf den Tisch sprangen und von dort aus in Richtung Kuchentheke.
Als er versuchte, die Punkte wieder einzufangen, war es 14.38 Uhr: Die Eingangstür öffnete sich erneut. Eine Handvoll vollkommen durchgefrorener Zwerge stampfte ungelenk ins Café.
Sie blieben vom Gestiefelten unbeachtet. Dieser stolperte zur Kuchentheke und konnte seine Punkte so gerade eben noch vor einem Bienenstich einfangen. Auf dem Rückweg zu seinem Tisch versuchte er, die Punkte in den rechten Stiefel zu stopfen und rempelte dabei zwei Zwerge an.
»Könnt ihr nicht aufpassen, ihr Winzlinge?« Der Adler thronte sich wieder auf den samtenen Stuhl und steckte seine Hakennase erneut in die Kuchenkarte.
»Erst lässt man uns stundenlang am Bahnhof stehen und dann so was.« Der Leitzwerg war mit diesen Worten aus der Gruppe hervorgetreten. Die anderen standen hinter ihm, schüttelten zustimmend mit den Köpfen.
»Können wir mal telefonieren?«, wandte sich der Zwergenchef an Moni. »Unsere Koffer sind noch am Bahnhof, die muss irgendjemand abholen. Wir mussten sie zurücklassen und das, obwohl sie noch nie lange ohne uns waren.«
»Was sollen denn das für Koffer sein?«, mischte sich der Adler ein.
»Können wir mal telefonieren, bitte?«, der Zwerg zupfte an Monis Rock.
»Ich will jetzt bestellen, warte bis du dran bist. Und was soll die Zupferei, willst du Kuchen?« Der Adler hielt sich lachend den Bauch.
Moni atmete tief ein – und erleichtert wieder aus, als das Telefon klingelte. Sie drehte sich um, ging zum Tresen.
»Monis allerliebste Kaffee- und Teestube. Wir haben auch Torten und Gebäck. Heute geöffnet bis um Sechse. Drinnen und draußen gibt es Kännchen. Was kann ich für Sie tun?« Mit einem weiteren tiefen Atemzug wandte sie sich wieder ihren Gästen zu: »Ja – die sind hier.«
Sie ging zu der Gruppe zurück und hielt dem Leitzwerg irritiert das Telefon hin. »Ist für euch. Die Koffer. Sie werden unruhig.«
Es war erst 14.44 Uhr: Das konnte ja was werden. Moni überlegte und schaltete kurzerhand ihre Autopilotin ein.
Während die Zwerge eine Zeit lang diskutierten, einigermaßen aufgewärmt das Café wieder verließen, der Adler dies in weder salon- noch caféhausfähiger Weise kommentierte und mit hoheitsvoller Geste ein Stück Prinzregententorte bestellte, lächelte Monis Pilotin und verrichtete kurzerhand alles, was man von einer Caféhausbesitzerin erwarten konnte. Erst als der Gestiefelte Adler versuchte, seine Rechnung von EUR 11,11 für die Torte und zwei von den Drinnen-Kännchen mit diesen eigenartigen bunten Punkten zu bezahlen, da kam Moni zurück. Leider hatte ihre Autopilotin hierfür keine Programmierung.
»Das macht EUR 11,11 Herr Adler.«
»Wie viel macht das in Springenden Punkten?«
»Der springende Punkt ist, Herr Adler, das macht EUR 11,11 und keine Punkte.«
»Unverschämtheit.«
Der Adler erhob sich, ohne die Biene zu beachten, die um 15.45 Uhr von der Kuchentheke aus in Richtung Schaufenster gestartet war.
»Autsch.«
Der Adler breitete seine Schwingen aus, um die Angreiferin abzuwehren.
»Das macht EUR 14,11 Herr Adler.«
»Was?«
Moni hielt ihm die Kuchenkarte unter die Hakennase: »Bienenstich EUR 3,00. Zahlen Sie jetzt, oder?«
Moni stellte sich vor die Tür und verwehrte dem verdutzen Gestiefelten den Ausgang.
»EUR 14,11.«
»Dieses komische Zeug habe ich nicht. Unverschämtheit.«
»Ich nehme auch Kreditkarten.«
Einen mir nicht genau bekannten Zeitraum lang starrten sich Adler und Moni in die Augen.
»Unverschämtheit«, maulte der Gestiefelte um 15.50 Uhr. Er senkte den Blick, um in seinem linken Stiefel zu kramen. Er hielt Moni trotzig eine Karte hin, die die Aufschrift 5***** Überaller Goldkarte trug.
»Warum nicht gleich so«, dachte Moni und ging mit der Karte zum Lesegerät.
»Unverschämtheit. In diesem Laden war ich zum letzten mal.«
Das Lesegerät surrte zufrieden und Moni gefiel die Aussicht auf ein Nimmerwiedersehen mit dieser gestiefelten Respektlosigkeit.
Es war 15.55 Uhr: Die Wölfin Wilma war sich noch unschlüssig darüber, was sie bestellen sollte.
Moni atmete zufrieden ein und wieder aus. Sie räumte den Tisch am Schaufenster ab, desinfizierte ihn und verschwand in der Küche.
Später kamen weitere Gäste. Der Nachmittag verlief ruhig, ab und zu schaltete Moni ihre Autopilotin ein und hing ihren Gedanken nach.
Späte 18.00 Uhr: Die Wölfin Wilma reichte Moni die Karte zurück und verließ das Café mit den Worten: »Ach wissen Sie, Fräulein Monika, ich komme morgen wieder.«
Geschrieben von Bettina Ittermann
Titel: Wellen schlagen gegen meine Seele
Autorin und Coverrechte: Bettina Ittermann
Seitenzahl: 81 Seiten
Preis eBook: 2,69 € (D)
ASIN: B081QNNR7M
Titel: Komm mit über die Grenzen der Zeitenwelt
Autorin und Coverrechte: Betty Van Birnhelm
Seitenzahl: 208
Preis eBook: 2,99 € (D)
Preis TB: 8,99 € (D)
ISBN: 978-3750430051
Mehr Informationen zur Autorin und ihren Büchern findet ihr hier:
https://www.betty-van-birnhelm.de/
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