Rezension

[Rezension] Flammen über Arcadion

Autor: Bernd Perplies
Verlag: Lyx
Seitenzahl:  520
Preis:  6,99 Euro
Cover / Bildrechte: Luebbe Verlag

 
Das Cover finde ich wirklich einmalig schön. Im Vordergrund sieht man eine Hand, die eine Rose hält, die sich in Luft aufzulösen scheint. Im Hintergrund erkennt man die Ruinen einer Stadt. Das Cover passt wirklich sehr gut zum Inhalt der Geschichte und fordert jeden auf, es einfach in die Hand zu nehmen, um zu sehen, um was es in dem Buch geht. 
Öffnet man das Buch bekommt man gleich einmal einen Einblick in die Stadt Arcadion, denn im Inneren des Buches befindet sich ein tolles Bild, dass man ewig betrachten könnte, da einem immer wieder neue Details auffallen.
Am Anfang beginnt das Buch ganz ruhig, indem man Carya, ihr Leben, ihre Familie und Arcadion etwas kennenlernt. Doch schnell merkt man, dass nicht alles in Arcadion Gold ist was glänzt. Natürlich bot es den Mensch Schutz nach dem großen Sternenfall, aber inzwischen scheint der Lux Dei, ein religiöser Orden, der über Arcadion herrscht, mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart zu leben und den Sinn für Recht und Unrecht verloren zu haben. Einige Menschen, wie z.B. Caryas Onkel Giac scheinen diesen Umstand durchaus wahrzunehmen, aber Carya ist in einer heilen Welt aufgewachsen und geht brav in die Schule, in der der Lux Dei gepriesen wird und hält sich auch sonst an alle Regeln, die in Arcadion herrschen.
Natürlich weiß Carya, dass es in Arcadion auch Invitros gibt: Menschen, die nicht natürlich geboren, sondern künstlich geschaffen wurden. Doch mit diesen möchte sie nichts zu tun haben, da sie vom Lux Dei als unnatürlich und somit als Bedrohung angesehen werden.
Caryas heile Welt wird erschüttert, als sie von ihrer Freundin Rajael erfährt, dass deren Freund Tobyn von der Inquisition (den Soldaten des Lux Dei) verhaftet wurde und dass ihm der Prozess gemacht werden soll, bei dem er wahrscheinlich zum Tode verurteilt wird, da er angeblich an einer solchen Brutstation für Invitros mitgearbeitet haben soll. Ein letztes Mal möchte Rajael ihren Tobyn sehen und Carya soll ihr Zutritt zum Tribunalpalast verschaffen. Doch was die beiden Mädchen dort sehen, wirft sie völlig aus der Bahn und lässt Carya handeln ohne zu denken, was ihr zum Verhängnis wird, da sie damit selbst auf die Abschussliste der Inquisition und des Lux Dei gerät.
Sie muss fliehen und sich verstecken. Unerwartete Hilfe bekommt sie dabei von Jonan, einem Templersoldaten, der ebenfalls auf die Missstände ihrer Regierung aufmerksam geworden ist und nicht länger dabei mitwirken möchte.
Doch Caryas Eltern befinden sich noch in den Händen der Inquistion. Alleine können sie sie nicht retten, doch das Mädchen hofft, draußen vor den Toren von Arcadion auf Verbündete zu stoßen, denn längst wird die Scharr derer, die gegen den Lux Dei sind immer größer und gemeinsam sind sie stark und können vielleicht das beenden, was Carya im Tribunalpalast begonnen hat …. .
 
Carya ist ein Mädchen, das sehr behütet aufwächst. Sie ist zufrieden mit ihrem Leben in Arcadion und ihre einzigen Probleme bestehen darin, wie sie einen jungen Templer auf sich aufmerksam machen könnte. Das ändert sich sehr schnell, als sie von Rajael in deren Geschichte mit den Invitros hineingezogen wird. Carya weiß zwar, dass es die „Künstlichen“ gibt, sie kann sich jedoch nicht annährend vorstellen, wie diese vom Lux Dei behandelt werden. Als sie das mitbekommt ändert sich ihr Leben schlagartig und sie scheint zu einer völlig anderen Person zu werden. Plötzlich verliert sie ihre Naivität und beginnt, das ganze System des Lux Dei zu hinterfragen. Auch auf der Flucht vergisst sie nie die Menschen, die ihr wichtig sind und versucht alles, um diese zu retten. Dabei wächst sie über sich hinaus und bald schon muss sie erkennen, dass sie gar nicht, das nette Mädchen aus Arcadion ist.
Jonan ist nur Soldat geworden, weil das von seinem Vater erwartet wurde. Blind gehorcht er, doch in ihm regen sich erste Zweifel, ob die Regierung wirklich das ist, was sie zu sein vorgibt. Durch Carya findet er schließlich den Mut, sein altes Leben aufzugeben und sich gegen den Lux Dei zu wenden und das mit all seinen Konsequenzen. Dabei beweist er sehr viel Mut, Entschlossenheit und auch Leidenschaft, die Missstände in Arcadion aufzuzeigen und dagegen vorzugehen. Längst ist er keine Marionette des Regimes mehr, sondern denkt und handelt selber und zeigt damit, dass man zwar seine Taten nie rückgängig machen, dafür aber Wiedergutmachung leisten kann.
Sind die beiden Protagonisten schon sehr sympathisch, ist das Buch trotzdem noch voll von tollen Nebencharakteren:
Da ist z.B. Rajael, Caryas beste Freundin, die alles für ihre Liebe Tobyn tun würde und dass Liebe oftmals stärker ist, als der Tod.
Oder Pitlit, der Straßenjunge, der auf seine Weise gegen das Regime des Lux Dei angeht und immer für einen lockeren Spruch zu haben ist. Auch wenn man anfangs denken könnte, dass für ihn alles nur ein Spiel ist, zeigt er doch, dass mehr in ihm steckt.
Besonders angetan hat es mir Enzo, ein Invitro, der einiges an Wissen und Fertigkeiten mitbringt, die die Widerstandsbewegung gut brauchen können. Mit seinem trockenen Humor und seiner Verschrobenheit könnte man ihn leicht unterschätzen, aber seine Devise scheint zu lauten: Abgerechnet wird immer erst zum Schluss.
So könnte ich noch ewig weitermachen, denn gerade die Nebencharaktere machen viel von dem Charme dieses Buches aus. Doch jeder, der das Buch noch lesen möchte, sollte selbst auf Entdeckungsreise gehen und Arcadion und deren Bewohner kennen und lieben lernen.
 
Anfangs war ich etwas verwirrt, weil ich dachte, das Buch würde in einer ganz eigenen Welt spielen, in einer fernen Zukunft. Doch Arcadion wurde auf den Trümmern von Rom aufgebaut und obwohl es einiges an Technologie gibt, ist man doch auch wieder zu alten Dingen zurückgekehrt, wie z.B. Kutschen statt Autos. Diese Mischung aus Alt und Neu macht einen großen Teil dieses Buches aus. Immer wieder versucht man als Leser, die Ereignisse und Orte von Arcadion mit dem Rom, das man selber kennt, in Einklang zu bringen und entdeckt immer wieder Gemeinsamkeiten, die einen zum Schmunzeln oder zum Nachdenken bringen.
Der Orden des Lux Dei ist sehr religiös angehaucht und erinnert etwas an die katholische Kirche. Das ganze Regime und deren Gepflogenheiten werden jedoch so gut erklärt, dass man sich unabhängig seiner eigenen Glaubensrichtung ein richtig gutes Bild davon machen kann. 
Erfährt man anfangs ein wenig über Carya, ihr Leben, ihre Familie und Freunde und über Arcadion, nimmt das Buch doch schnell an Fahrt auf und man beginnt richtig mit dem Mädchen mitzufiebern und den Atem anzuhalten, so viel Spannung baut sich auf. 
Das Buch wird auch immer abwechselnd aus Sicht von Carya und dann wieder aus Jonans Perspektive erzählt, so dass man zwei Handlungsstränge mitbekommt. Das ist vor allem wichtig, das Carya und Jonan doch einige Zeit getrennt sind und man viel verpassen würde, wäre das Buch nur aus Caryas Sicht geschrieben.
Besonders gut gefiel mir die Wendung, die Caryas Charakter durchlaufen hat. Vom naiven Mädchen, wird sie eigentlich sehr schnell zu einer skeptischen jungen Frau, die nicht mehr alles glaubt, was man ihr sagt. Doch das Besondere: Carya dreht sich nicht einfach mal um 180 Grad, sondern für ihren Sinneswandel gibt es gute Gründe und die liegen nicht nur darin, dass ihr die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten des Lux Dei, die Augen öffnen.
Überhaupt ist das Buch sehr gut durchdacht und jede Wendung, die es nimmt, hat immer einen Grund und ist, auch wenn sie aus heiterem Himmel zu kommen scheint, im Nachhinein doch irgendwie logisch. Durch all diese unvorhergesehenen Wendungen wird zusätzlich Spannung aufgebaut, so dass man eigentlich von Anfang bis zum Ende des Buches total von den Ereignissen gefangen ist und erst wieder aus Arcadion auftaucht, wenn man das Buch zuschlägt.
Sehr schön fand ich auch, dass Carya und Jonan nicht sofort in Liebe zueinander entbrennen. Natürlich gibt es den ein oder anderen Moment, in dem man vermuten könnte, dass die beiden Protagonisten Gefühle füreinander entwickeln werden, aber in diesem 1. Band werden erst einmal nur zarte Bande geknüpft, die nicht zu übertrieben wirken und von ständigem Geschmachte Abstand nehmen, so dass die eigentliche Geschichte: Die ungerechte und grausame Herrschaft des Lux Dei und den Kampf dagegen, nicht in den Hintergrund gerät.
In diesem 1. Band der Triologie geht es vor allem darum, wie das Regime des Lux Dei den Blick für Recht und Unrecht verloren hat. Unsere Protagonisten beginnen den Kampf gegen diese Regierung und legen den Grundstein für die Befreiung Arcadions. Doch es werden auch ganz neue Fragen aufgeworfen, die ganz neue Blickwinkel in diese Geschichte bringen. Aber deren Lösung ist auf die Folgebände verschoben und lässt den Leser mehr als neugierig und ungeduldig auf die Fortsetzung zurück.
 
Eine wirklich außergewöhnliche Dystopie, die zum einen in einer neuerschaffenen, zum anderen aber in einer altbekannten Welt spielt und so voller außergewöhnlicher Charaktere und Spannung ist, dass man nicht mehr aufhören kann zu lesen.
Diese Dystopie ist ganz klar, ein richtiges Juwel unter den Dystopien, die es momentan überall gibt. Ich habe schon viele davon gelesen, aber keine wie diese in den Händen gehalten.
Ein absolutes Must-read. Wer dieses Buch nicht liest, verpasst einiges.
Von mir bekommt das Buch 5 Punkte von 5.

 
Vielen Dank an den lovelybooks und den Egmont Lyx-Verlag, die mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. 
Außerdem möchte ich dem Autor, Bernd Perplies danken, der die Leserunde auf lovelybooks begleitet und viele Fragen beantwortet hat.

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